Stellungnahme des Infoladen-Plenums zu den Outcalls

Zuerst möchten wir ausdrücklich sagen, dass wir uns solidarisch mit den Betroffenen sexueller und sexualisierter Gewalt zeigen!

Wir als Infoladen Jena möchten auch noch einmal Stellung beziehen. Wir sind spät dran, was wir nicht entschuldigen können, aber trotzdem möchten wir unsere Eindrücke und Meinungen nach einigen Diskussionen teilen.

Im Gespräch miteinander haben wir festgestellt, dass der Infoladen auch eine Historie von im weiteren Sinne antifaschistischen Gruppierungen spiegelt. Bereits früher war der Laden in Diskussionen um Vorfälle sexualisierter Gewalt und sexistischen Verhaltens involviert. Im Zuge dessen wurden auch schon Hausverbote ausgesprochen. Gerade für einen Raum wie diesen ist es wichtig, dass Grenzen gezogen werden, wer willkommen ist und wer nicht. An dieser Stelle möchten wir auch transparent machen, dass der im Jenaer Outcall (vom August 2020) bekannt gemachte Täter eine Zeitlang (von Juli bis August 2019) zum Laden Zugang hatte.

Stand jetzt ist, dass er und die Täter aus Saalfeld im Infoladen Hausverbot haben.

Wir als Infoladen-Plenum sind solidarisch mit den betroffenen Genoss*innen, unabhängig von ihrem Umgang mit den Erfahrungen und den Tätern. Wir orientieren uns an den Forderungen der Genoss*innen. Darüber hinaus ist es unsere Aufgabe als Raum, ein Konzept zur Reaktion auf sexistisches Verhalten und Übergriffe zu erarbeiten, nicht nur um auf die Outcalls zu reagieren, sondern auch, um einen Umgang für mögliche zukünftige Übergriffe zu finden. Es braucht ein verbindliches und transparent gemachtes Konzept, auf das im Falle des Falles Bezug genommen werden kann.. Wir möchten, dass sich alle Genoss*innen bei uns einbringen können und nicht aus Sorge vor Übergriffen und Mackern wegbleiben.

Im Gespräch ist uns aufgefallen, dass folgende Frage wieder auf den Tisch muss: Wie hängen Antifa, Männlichkeitsinszenierung und Mackertum zusammen? Es ist definitiv eine Aufgabe, das innerhalb der Szene kritisch zu diskutieren und zwar immer wieder. Für eine solche Diskussion stellt sich der Infoladen mit seinen Ressourcen zur Verfügung. Das richtet sich auch an (Bezugs-)Gruppen, die sich darüber austauschen möchten, was das mit ihnen selbst zu tun hat.

Weiter möchten wir aktiv unterstützen, dass Aufklärung geleistet wird: über das Patriarchat, über sexuelle und sexualisierte Gewalt, insbesondere gegen Frauen, über ihre psychischen Folgen und den Umgang damit. Es muss basierend darauf dringend innerhalb der Szene diskutiert werden, wie der Umgang mit Genoss*innen ist, die übergriffig werden und wie wir diejenigen unterstützen, die durch Übergriffe betroffen sind. Und diese Diskussion muss geführt werden, bevor Übergriffe passieren. Unsere Tür (und alles was damit zusammenhängt) ist offen für die Selbsthilfe/Unterstützung von Betroffenen.

Mit den Outcalls ist uns schmerzhaft bewusst geworden, dass es in Thüringen an Unterstützungsstrukturen für Betroffene aus der linken Szene heraus fehlt. Auch das muss bearbeitet werden (und wird es von einigen bereits).

Und nicht zuletzt muss die politische Organisierung von FLINTA* gestärkt werden. Ob es der Infoladen mit seinen aktuell Aktiven schafft, zum Beispiel eine FLINTA*-Öffnungszeit zu stemmen, wissen wir noch nicht. Fühlt euch aber bitte angesprochen, wenn es heißt: bei uns könnt ihr undogmatische linke Politik und Subkultur machen. Der Laden ist zwar klein, aber vollgestopft mit Wissen und Möglichkeiten.

Nochmal anders: Wir leben in patriarchalen kapitalistischen Verhältnissen. Darin sind Diskriminierung, Unterdrückung und/oder Verfolgung an der Tagesordnung. Diese richten sich häufig in Form von Gewalt gegen Frauen und gegen Menschen, die sich nicht in eine heterosexuelle oder cis-geschlechtliche Schublade stecken lassen (wollen). Gegen diese Verhältnisse richtet sich unsere Politik. Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle ohne Angst verschieden sein können. Mit den Outcalls aus Jena und Saalfeld, aber auch denen aus Erfurt und Gotha letztes Jahr ist mal wieder überdeutlich geworden, dass auch Antifaschist*innen Gewalt und sexistisches Verhalten ausüben. Manches davon haben Leute mitbekommen, ohne einzugreifen, anderes lief unterm Radar. So darf es nicht weitergehen. Innerhalb der Szene muss selbstkritisch reflektiert werden. Es muss antisexistisch aufgeklärt werden. Es müssen Strukturen geschaffen werden, an die sich betroffene Genoss*innen wenden können und die politische Organisierung von FLINTA-Genoss*innen muss unterstützt werden. Dafür steht der Infoladen zur Verfügung. Denn für die dort Aktiven ist klar: Wir sind an der Seite der Betroffenen.

Infoladen Jena
(infoladenjena@riseup.net)

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