16.10.2014 – 19.00 Uhr
Alexandra Kollontai (1872-1952) war eine russische Revolutionärin, die ein bewegtes Leben führte: Unter der Herrschaft des Zaren musste sie wegen aufrührerischer Gedanken ins Exil und verbrachte viele Jahre in Frankreich, den USA, Deutschland, Schweden und Norwegen. 1917 ging sie zurück nach Russland und kämpfte zusammen mit den Bolschewiki. Nach deren Sieg besetzte sie wichtige Funktionen, in denen sie sich vor allem mit den Fragen der Familienpolitik in der Sowjetunion auseinandersetzte, für Frauenrechte stritt und versuchte, eine Liberalisierung in Sachen Familie, Reproduktion und Sexualität durchzusetzen. Ihre Stellung zum Stalinismus war ambivalent: Einerseits war sie Anhängerin Stalins und überlebte die stalinistischen Säuberungen (was für Bolschewisten der ersten Stunde in den höheren Etagen eine absolute Seltenheit war), andererseits kritisierte sie die Bürokratisierung unter Stalin. Dies mag der Grund dafür sein, dass sie ab den 1920’er Jahren nur noch Funktionen als Diplomatin im Ausland übernahm.
Felicita Reuschling (selbständige Kunstpädagogin und Kurautorin, Autorin u.a. bei „Phase 2“) geht in ihrem Vortrag über Alexandra Kollontai vor allem auf deren Ausführungen über die Familie im Kommunismus ein. Sie vollzieht die familienpolitischen Debatten im Zuge der realsozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft nach und stellt Kollontais Positionierung darin dar. Vor Allem geht es um das Verhältnis und die Wertung von „produktiver“ und „unproduktiver Arbeit“, die Stellung der reproduktiven Arbeit in der allgemeinen Arbeitsteilung sowie das Verhältnis von privater Sphäre, Familie und Öffentlichkeit. Dabei formuliert sie eine Kritik an den Positionen Kolontais, deren Ambivalenzen schon aus der marxschen Theorie herrühren.